Kritische Berichterstattung juristisch zu bekämpfen ist (meist) ein Irrweg
Erst Ende Juni 2013 hatten wir das Thema „Krisen-Kommunikation“ behandelt. Hintergrund war die laut einer Studie verbreitete Haltung unter Vorständen, Geschäftsführern und (man glaubt es kaum) Kommunikationsmanagern, „negative Informationen” nicht zu veröffentlichen, „wenn sie aller Voraussicht nach sonst nicht nach außen dringen würden”. Dass es unverändert Unternehmen, Top-Manager und Eigentümer gibt, die nicht verstanden haben (oder nicht verstehen wollen), wie mit kritischen Themen umzugehen ist, zeigt aktuell das Beispiel Karstadt.
Karstadt: Mit juristischen Mitteln gegen kritische Berichterstattung
Das Wirtschaftsmagazin „Der Handel” berichtet in seiner September-Ausgabe 2013 von den juristischen Scharmützeln zwischen dem Warenhauskonzern und diversen Medien, darunter neben dem „Handel“ selbst auch das ZDF, der „Spiegel“ und die „Lebensmittel Zeitung“. Die juristischen Einzelheiten sind dabei weniger interessant. Bemerkenswert ist vielmehr, dass, so der „Handel“, bei Karstadt „die Öffentlichkeitsarbeit inzwischen offenbar vollständig von Anwälten erledigt (wird), die sofort ‚strafbewehrte Unterlassungserklärungen‘ einfordern“, wenn die Berichterstattung allzu kritisch wird oder vermeintlich falsche Details enthält. „In einem normalen Unternehmen hätte der Pressesprecher zunächst zum Telefonhörer gegriffen und um Richtigstellung gebeten“, bemerkt der „Handel“ zurecht. Allerdings gehe es den Verantwortlichen dieser Art von Rechtsverfolgung wohl auch weniger um die Wahrheitsfindung als vielmehr um die einschüchternde Wirkung ihrer Vorgehensweise. Daher würden die Anwälte nicht selten sogar schon im Vorfeld einer Veröffentlichung aktiv. Einen renommierten Wirtschaftsjournalisten zitiert das Magazin mit den Worten: „‚Nach einer Rechercheanfrage bei der Pressestelle erhält man postwendend ein Fax, in dem juristische Schritte angekündigt werden.‘“ Wenn das stimmt, kann man nur sagen: Liebe Karstadt-Pressestelle, setzen, sechs.
Aber es geht noch weiter: Offensichtlich geht Karstadt nicht nur gegen Redaktionen juristisch vor. Auch anerkannte Handelsexperten, die sich in den Medien kritisch über den Sanierungskurs von Karstadt-Chef Andrew Jennings geäußert haben, wurden zur Abgabe von Unterlassungserklärungen aufgefordert. Die Folge: „Die ‚Wirtschaftswoche‘ schwärzte jüngst den Namen eines Handelsprofessors in einem Artikel, um Repressalien für den Karstadt-Kritiker zu vermeiden.“ Es werde, so Christoph Giesen, Wirtschaftsjournalist bei der „Süddeutschen Zeitung“, zunehmend schwieriger, Experten zu finden, die sich öffentlich über Karstadt äußern wollen.
Krisenkommunikation: An Informationen herrscht kein Mangel
Dass es die beschriebenen Verhaltensweisen in Unternehmen und noch dazu in Pressestellen immer noch gibt, ist vollkommen unverständlich. Die Themen „Krisenkommunikation“ und der richtige Umgang mit kritischer Berichterstattung werden seit zig Jahren in Büchern, auf Konferenzen, in Seminaren und, und, und ausführlichst behandelt. Eine aktuelle Google-Suche nach dem Begriff „Krisenkommunikation“ findet in 0,25 Sekunden 258.000 Treffer; sucht man nach „Crisis Communication“ sind es sogar 801.000 Ergebnisse. Man kann also nicht gerade sagen, das Thema habe keine Konjunktur oder Informationen seien schwer zu finden.
Für den ersten Einstieg kann sich der geneigte Interessent bei Wikipedia informieren (mit vielen Literaturhinweisen und Weblinks). Auch der vom Bundesministerium des Innern herausgegebene Leitfaden zur Krisenkommunikation bietet einen hilfreichen Überblick (mit Handlungsempfehlungen und Checklisten). Ebenfalls sehr nützlich ist die Webseite Krisennavigator®, ein Informationsdienst für Krisenmanagement, Krisendiagnose, Krisenkommunikation, Issues Management, Risikomanagement, Sicherheitsmanagement, Notfallmanagement, Katastrophenmanagement, Restrukturierung und Strategie.
Und für alle, die sich mit der Pressearbeit schwertun: Man muss nicht gleich dicke Wälzer lesen, so schwierig ist die Sache nicht. Es reicht schon, sich an die „Do’s and Don’ts gegenüber der Presse“ zu halten, die Claudia Tödtmann (Wirtschaftswoche) aufgeschrieben hat.