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Markenmanagement für Führungskräfte

In Deutschland waren im Jahr 2010 hochgerechnet insgesamt knapp 4 Millionen angestellte Führungskräfte in der Privatwirtschaft tätig (Quelle: DIW, Führungskräfte-Monitor 2012). Gemeint sind hier sowohl Personen in Leitungsfunktionen als auch Beschäftigte in hochqualifizierten Tätigkeiten. Der Wettbewerb unter ihnen ist naturgemäß hoch. Das gilt nicht nur „on the job“, also für alle, die aktuell eine Führungsaufgabe in einem Unternehmen bekleiden, sondern auch für alle, die „in between“ sind, also gerade eine neue Aufgabe suchen. Keineswegs nur, aber besonders in Phasen der Neuorientierung kommt es darauf an, sich durch eine wirksame Positionierung vom Wettbewerb zu differenzieren. Leider gelingt dies häufig nur unzureichend. Werfen wir dazu einen Blick in typische Lebensläufe von Führungskräften.

Die Crux mit den Lebensläufen

Aus den typischen CVs von Führungskräften erfährt der Leser viel darüber,

  • wo die Person gearbeitet hat. In der Regel sind es „führende“ Unternehmen, „international“, nicht selten „global“, „weltweit agierend“ oder auch „Blue Chips“. Die Teams „multikulturell“, „interdisziplinär“ etc.
  • welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vorhanden sind. Ganz überwiegend sind diese „umfassend“, „breit“, „tiefgehend“, „interkulturell“, „ausgeprägt“, „nachweislich“, „analytisch“, „unternehmerisch“ etc.
  • welche Erfahrungen und Erfolge zu Buche stehen. Erfahrungen sind in der Regel „mehrjährig“, „weitreichend“, „umfassend“ oder „international“; Erfolge „nachweisbar“, „messbar“, „nachhaltig“, „signifikant“ etc.

Diese drei Aspekte bilden den Schwerpunkt. Und sie sind natürlich vollkommen in Ordnung, ja sogar notwendig. Nicht selten bewegen sich die Beschreibungen allerdings auch im Rahmen des Erwartbaren.

Beschreibung zum „Profil“ oder zu den „Kompetenzen“ gehen selten über attributive Zuschreibungen hinaus, wie etwa die folgenden:

  • Von Person A erfahren wir, dass sie „unternehmerisch“, „durchsetzungsfähig“ und „verhandlungsstark“ ist. Attribute, die für eine gestandene Führungskraft nicht unbedingt „unique“ sind.
  • Person B verfügt über eine „klare strategische Orientierung“ und eine „unternehmensübergreifende Denkweise“. Es bleibt dem Leser überlassen, sich vorzustellen, was damit jeweils gemeint ist.
  • Person C hat eine „hohe Passion für Marken und Business-Strategie“ und besitzt die „Fähigkeit, Menschen für eine neue Vision zu begeistern“. Beides auch eher generische Aussagen.
  • Person D wirft die „Kompetenz zur Wahrnehmung von Kundenwünschen und Umsetzung im Unternehmen“ in die Waagschale. Die „Wahrnehmung“ von Kundenwünschen und deren „Umsetzung“ im Unternehmen dürfte allerdings zu den betriebswirtschaftlichen Basiserfordernissen buchstäblich jeder Unternehmung gehören.

Alles in allem erfährt man in den CVs recht wenig darüber, wer die Person eigentlich ist, wie sie ist, wie sie „tickt“, über welche Eigenschaften sie verfügt, wofür sie lebt, sich begeistern kann, wofür sie steht – und wofür nicht. Kurz: Man erfährt wenig bis nichts über Zwecke, Absichten, Beweggründe, Überzeugungen.

Orientierung durch Persönlichkeitsmarke

Was fehlt ist eine (Persönlichkeits-)Marke, ein „Personal Brand“. Aber was leisten Marken eigentlich? (Vgl. zum folgenden J. Häusler: Marken im öffentlichen Diskurs, in: Zerfaß/Piwinger (Hg.): Handbuch Unternehmenskommunikation, 2. Auflage, Wiesbaden 2014, S. 396ff.)

Marken prägen Konsumentenverhalten, im Falle von „Personal Brands“ also beispielsweise das Verhalten derjenigen, die in Unternehmen Personalentscheidungen treffen.

  1. Für Entscheider erbringen sie bedeutende Leistungen unter den aktuellen Bedingungen intransparenter (Personal-)Märkte, vielfältigster (Personal-)Angebote und einer durchaus nicht geringen Austauschbarkeit dieser Angebote.
  2. Auch im Personalmarkt helfen Marken, dem „paradox of choice“ (B. Schwartz 2004) zu trotzen. Persönlichkeitsmarken sorgen dafür, dass sich Entscheider im Angebotsdschungel orientieren können, dass sie bestimmten (Personal-)Angeboten vertrauen können, und dass sie sich letztlich auch mit bestimmten Angeboten identifizieren können. Persönlichkeitsmarken orientieren Entscheider. Entscheider vertrauen Persönlichkeitsmarken. Und Entscheider identifizieren sich vereinzelt mit Persönlichkeitsmarken.

Marken stärken die persönliche Wettbewerbsfähigkeit.

  1. Persönlichkeitsmarken helfen den Markenbesitzern, in den jeweiligen (Personal-)Märkten besser gehört zu werden. Eine starke Marke ermöglicht kommunikative Effizienz- und Effektivitätssteigerungen.
  2. Starke Persönlichkeitsmarken sorgen dafür, dass ihre zentralen Versprechungen von den relevanten Zielgruppen (hier: Vorstände, Geschäftsführer, HR-Manager, Personalberater etc.) auch verstanden werden. So eröffnen sie Chancen, neue „Märkte“ zu erobern.
  3. Starke Persönlichkeitsmarken sind in den Köpfen ihrer Zielgruppen so verankert, dass sie präsent bleiben auch dann, wenn sie gerade keine Kommunikationsaktivitäten unternehmen.
Wie eine Persönlichkeitsmarke entsteht

Klaus Birkigt, Marinus M. Stadler und Hans Joachim Funck sind in ihrem zum Klassiker avancierten Buch Corporate Identity – Grundlagen, Funktionen, Fallbeispiele (ursprünglich in 1980er Jahren erschienen erlebte es bis zum Jahr 2002 elf Auflagen) von der Grundannahme ausgegangen, dass wir Unternehmen nicht anders wahrnehmen als Menschen. Menschen beurteilen wir nach ihrem Verhalten (Taten), nach ihren Aussagen (Worte) und nach ihrem Aussehen (Erscheinung). Indem eine Unternehmenspersönlichkeit (Herkunft, Hintergrund, Charakter und Temperament sowie Bedingungen, Ziele, Werte und Kompetenzen eines Unternehmens oder einer Marke) auf die drei Handlungsfelder Unternehmensverhalten, Unternehmenskommunikation und Unternehmenserscheinungsbild übertragen und über sie transportiert wird, entsteht eine Corporate Identity, die bei den Betrachtern ein Corporate Image erzeugt:

CI-Modell nach Birkigt/Stadler/Funk

CI-Modell nach Birkigt/Stadler/Funk

Dieses Modell lässt sich natürlich auf seinen Ursprung – die Wahrnehmung und Beurteilung von Menschen – übertragen. Hierzu lässt man jeweils den Wortbestandteil „Unternehmens” weg und ersetzt „Corporate” durch „Personal”. In Anlehnung an die Definition einer Corporate Identity durch Birkigt/Stadler/Funck wäre eine Personal Identity sodann wie folgt zu definieren:

Personal Identity ist die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise einer Person auf Basis einer langfristigen Zielsetzung, einer festgelegten Philosophie (Werte, Normen) und eines definierten (Soll-) Images mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente der Person (Verhalten, Aussagen, Erscheinung) in einheitlichem Rahmen zur Darstellung zu bringen.

Das grundlegende Fundament für eine solche Personal Identity ist ein Leitbild.

Für die Entwicklung eines Leitbildes und damit für die Entwicklung einer Persönlichkeitsmarke lässt sich das von Klaus Schmidt (2003) entwickelte holistische Markenmodell adaptieren. Die folgende Abbildung zeigt die Dimensionen, aus denen eine personale Identität besteht:

Das holistische Markenmodell (links) und sein „Kern“ (rechts) [für Persönlichkeitsmarken adaptiert nach K. Schmidt 2003; Copyright NM Hammersen & Partner]

Das holistische Markenmodell (links) und sein „Kern“ (rechts) [für Persönlichkeitsmarken adaptiert nach K. Schmidt 2003; Copyright NM Hammersen & Partner]

Die holistische Positionierung bildet den Kern des holistischen Markenmodells. Sie wird von sechs Dimensionen beeinflusst und beeinflusst diese ebenfalls. Details zu den sechs Dimensionen werden mit Hilfe eines Fragenkatalogs systematisch erarbeitet. Die auf diesem Wege gesammelten Inhalte werden am Ende zu einem Leitbild im erweiterten Sinne verdichtet. „Im erweiterten Sinne“, weil dieses Leitbild neben den „klassischen“ Inhalten Vision, Mission, Werte auch die Differenzierungsfaktoren sowie Markennutzen und Markenversprechen enthält.

Das Ergebnis: ein ganzheitliches Leitbild (im erweiterten Sinne) [Copyright NM Hammersen & Partner]

Das Ergebnis: ein ganzheitliches Leitbild (im erweiterten Sinne) [Copyright NM Hammersen & Partner]

Ein solches Leitbild

  • entwirft ein „realistisches Idealbild“ der Person und sorgt damit für einen klaren Kompass nach innen;
  • arbeitet die Konturen der Person klar heraus und sorgt damit für die Profilierung der Identität;
  • macht deutlich, wofür die Person steht (und wofür nicht) und sorgt damit für die Imagebildung nach außen;
  • verbessert mit all dem wesentlich die Differenzierung von Wettbewerbern und
  • gibt Entscheidern in Unternehmen jenseits der üblichen Erfahrungs- und Kompetenzbeschreibungen (s.o.) wichtige zusätzliche Hinweise an die Hand.

Das Leitbild bildet die strategische Plattform für das Impression Management, die bewusste oder unbewusste Steuerung des Eindrucks, den Führungskräfte als Person auf andere machen (wollen). Das Leitbild liefert die argumentativen Muster für die Selbstkonzepte oder Selbstbeschreibungen der Betroffenen – seien diese schriftlich, mündlich oder in anderer Weise. Beispielsweise fließen sie ein in

  • das persönliche Erscheinungsbild (Personal Design);
  • den Lebenslauf und ggf. weitere Schriftstücke;
  • Social-Media-Profile (soweit vorhanden);
  • eine individuelle Webseite („Online-CV“, soweit vorhanden);
  • das „Argumentarium“ für persönliche Gespräche.

Nach Vazrik Bazil sind die Selbstkonzepte oder Selbstbeschreibungen Antworten auf die von jedem Menschen selbst gestellte Kernfrage: „Wie will ich von anderen wahrgenommen werden?“ (vgl. V. Bazil 2005) Aber nicht nur das. Sie liefern auch Antworten auf die Fragen: Wer und wie bin ich? Wofür stehe ich? Wie unterscheide ich mich von anderen? Welchen Wertbeitrag leiste ich? Wesentliche Fragen, auf die Führungskräfte klare Antworten finden müssen – nicht nur in Zeiten, in denen sie „in between“ sind.