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Employer Branding: Kanzleien müssen im „Kampf um Talente“ an ihren Botschaften arbeiten

In einem Artikel über die aktuelle Situation am deutschen Kanzleimarkt hieß es Anfang November 2012 in der F.A.Z., die Kanzleien kämpften nicht nur um Mandanten, sondern auch um Nachwuchs. Laut einer Studie des Soldan Instituts für Anwaltmanagement strömten jedes Jahr nur knapp 900 junge Juristen auf den Markt, die für die anspruchsvollen Wirtschaftskanzleien überhaupt in Frage kämen: zwei Examen mit Prädikat, Auslandserfahrung, womöglich noch einen Doktortitel – der „Kampf um die Talente“ sei im vollen Gange.

Karriere-Seiten der Kanzleien offenbaren Verbesserungspotential

Diese Zustandsbeschreibung führt zu der Frage, wie die Kanzleien den „war for talent“ (McKinsey) zu bestehen gedenken. Wofür stehen sie? Was stellen sie jungen Anwälten in Aussicht? Wie lautet ihre „Great-place-to-work“-Botschaft? Entscheidender Punkt dabei: Ist diese Botschaft geeignet, einen erkennbaren Unterschied zu den Wettbewerbern zu transportieren? Eine Betrachtung der Karriere-Seiten der Top-50-Kanzleien in Deutschland (nationales Ranking JUVE) vermittelt den Eindruck, dass hier noch einiges zu tun ist.

In der einen oder anderen Form wenden sich alle Kanzleien an den juristischen Nachwuchs. Manche tun dies recht ausführlich, schreiben, wer sie sind, was sie tun und was sie bieten. Andere belassen es bei wenigen Sätzen und verweisen im übrigen auf offene Stellen. Immerhin zehn Kanzleien haben nicht nur eine Karriere-Rubrik auf ihrer Kanzlei-Webseite, sondern bieten dem Nachwuchs detaillierte Informationen auf einer gesonderten Karriere-Seite. Vier Kanzleien US-amerikanischer Provenienz verfügen über keine deutsche Webseite, zwei weitere Kanzleien – ebenfalls aus den USA – haben auf ihrer deutschen Seite keine Karriere-Rubrik. Zwar ist es nur eine Kleinigkeit, aber selbst über einen brauchbaren Perma-Link wie beispielsweise abc-kanzlei.de/karriere/ haben noch nicht alle nachgedacht. Links zu Karriere-Seiten wie etwa kanzlei.com/de/careers/regiondetail.aspx?region=96fc9337-70d7-4627-9181-e3f6140d5007 oder xyzrechtsanwaelte.de/index.php?option=com_gr&view=article&id=69&catid=40%3Akarriere&Itemid=90&lang=de sind jedenfalls nicht gerade hilfreich.

Austauschbare Argumente

Wie sieht es nun bei den inhaltlichen Botschaften aus? Eine Tour d‘Horizon durch die Karriere-Seiten der Top-50-Kanzleien ergibt ein prima vista recht homogenes Bild. Die sechs wichtigsten Argumente, die für die eigene Kanzlei sprechen, sind: (1) die Arbeit in einem internationalen Umfeld, (2) gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, (3) Teamarbeit, (4) früher Kontakt zu Mandanten, (5) ein kollegiales, partnerschaftliches Miteinander sowie hochkarätige Mandanten und (6) sehr gute Karrierechancen mit einem überschaubaren Partnertrack.

Die Internationalität hervorzukehren ist zwar verständlich, taugt aber als Differenzierungsmerkmal überhaupt nicht, da sie in einer globalen Welt Commodity ist – erst recht in Kanzleien, die es häufig mit grenzüberschreitenden Mandaten zu tun haben.

Natürlich spricht nichts dagegen, auf gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten hinzuweisen. Allerdings dürfte es schwer fallen, sich in diesem Punkt vom Wettbewerbsumfeld signifikant abzusetzen. Außerdem dürften viele Nachwuchskandidaten eine gute Aus- und Fortbildung als Selbstverständlichkeit ansehen – schließlich haben sie es ja mit den Top-50-Kanzleien zu tun. Und wer wenn nicht diese sollte sich durch eine überdurchschnittliche Aus- und Weiterbildung auszeichnen?

Teamarbeit gehört zu den Wieselworten der heutigen Unternehmenslandschaft. Überall, wirklich überall wird die Arbeit in „jungen“, „dynamischen“ oder anderweitig qualifizierten Teams in Aussicht gestellt. Was bitte soll daran besonders sein? Dass man es in Unternehmen – und in Großkanzleien – nicht mit Einzelkämpfertum zu tun hat, dürfte allenthalben klar sein.

Ein Klassiker der Kanzleikommunikation zur Arbeitgeberattraktivität ist das Argument, als junger Nachwuchsanwalt habe man früh Mandantenkontakt. Auch hier fragt man sich: Ist das erstaunlich oder gar etwas Besonderes? Ist nicht auch das viel eher eine Selbstverständlichkeit – insbesondere dann, wenn man an anderer Stelle auf die fachliche oder intellektuelle Herausforderung und nicht zuletzt auf die bereits erwähnte gute Aus- und Weiterbildung verweist? Wie soll all das möglich sein ohne Mandantenkontakt? Ohne Kontakt zu denen, deren Probleme man lösen helfen soll.

Ein kollegiales, partnerschaftliches Miteinander, ein angenehmes Arbeitsklima – wer wollte das nicht? Insofern ist es nicht falsch, damit zu werben. Das Problem ist nur, dass es so viele tun. Damit taugt dieses an sich positive Argument nicht zur Differenzierung. Gleiches gilt für den häufig zu lesenden Hinweis auf die Besonderheit der Mandanten. Sie sind durchweg „hochkarätig“, „herausfordernd“, „namhaft“, „anspruchsvoll“ oder „bedeutend“. Eine Kanzlei nimmt sogar für sich in Anspruch, die „spannendsten“ Mandanten zu haben; woraus folgt, dass sich die übrigen Kanzleien offensichtlich mit den weniger spannenden beschäftigen müssen, was natürlich Unsinn ist.

Schließlich noch der Hinweis auf die Karrierechancen, hier insbesondere auf die Möglichkeit, bei Bewährung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in die Partnerschaft aufgenommen zu werden. Für den Nachwuchs ist dies natürlich ein neuralgischer Punkt, wobei vielen nicht entgangen sein dürfte, dass sich einige Kanzleien mit der Einlösung dieses Versprechens nicht ganz leicht tun. Was weniger an der Leistung des Nachwuchses liegt, sondern eher an strukturellen Problemen. Nicht umsonst hat man zwischen Associate und (Equity-)Partner „kreative“ Zwischenstufen eingefügt.

„Great-place-to-work”-Botschaft: Tiefgründigere Antworten notwendig

Alles in allem: Die angesprochenen Argumente mögen für die einzelne Kanzlei noch so richtig und wichtig sein, im „Kampf um die Talente“ sind sie wegen ihrer Omnipräsenz zur Differenzierung vom Wettbewerb kaum geeignet. Bei der Formulierung der „Great-place-to-work“-Botschaft haben die Kanzleien noch einiges zu tun, um auf die Fragen „Wie sind wir als Arbeitgeber?“ und „Wofür stehen wir?“ tiefgründigere Antworten zu geben als die erwartbaren Hinweise auf Selbstverständlichkeiten wie beispielsweise Internationalität, Teamarbeit oder gute Aus- und Weiterbildung.

Indizien wie „modern eingerichtete Arbeitsplätze, Büros in zentralster Innenstadtlage“ (wobei man sich fragt, wie etwas noch zentraler als zentral sein kann) oder die „Kanzlei-Laufgruppe und das Kanzlei-Fußballteam“, die „für sportlichen Ausgleich“ sorgen, tragen zur Lösung dieses Problems leider nichts bei, sondern sorgen doch eher für ein mildes Lächeln.

Addendum

Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft hat 2012 einen mehrstufigen Prozess durchlaufen, um ihre „Employer Value Proposition” zu erarbeiten. In ihrem Artikel „Raus aus der Gleichförmigkeit” – mit Blick auf Vorstehendes ein passender, programmatischer Titel – für die Zeitschrift personalmagazin erläutern Torsten Schneider, Director Human Resources bei Luther, und Michael Eger, Promerit Management Consulting AG, wie sie vorgegangen sind. Dabei zeigen sie nicht zuletzt, wie Kanzleien Alleinstellungsmerkmale erarbeiten können.